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Rückblick
Fotografis collection reloaded
11.09.2008 - 29.10.2008
Im Herbst 2008 präsentiert das Bank Austria Kunstforum Wien 270 Highlights der Sammlung FOTOGRAFIS. Nach über zwei Jahrzehnten – die letzte FOTOGRAFIS-Ausstellung fand im Jahr 1986 statt – kehrt die internationale Fotografie in die Ausstellungsräume an der Freyung zurück. Die Bank Austria besitzt mit der 1976 gegründeten Sammlung FOTOGRAFIS eine der frühesten und herausragendsten Foto-Kollektionen in Europa. Die Ausstellung »FOTOGRAFIS collection reloaded« setzt sich die Aktualisierung fotohistorischer Positionen zum Ziel: Stil-Strategien des Piktorialismus und der Neuen Sachlichkeit von einst werden rezenten Arbeiten, die als Leihgaben die Ausstellung ergänzen, gegenübergestellt. Alfred Stieglitz etwa tritt in Dialog mit Andreas Gursky, Albert Renger-Patzsch mit Candida Höfer und James Welling.
Von William Henry Fox-Talbot, dem »Erfinder der Fotografie«, David Octavius Hill und Robert Adamson stammen die frühesten in der Sammlung vertretenen Fotografien aus den 1840er Jahren. »Ich kenne wenig Dinge im Bereich der Wissenschaft, welche mehr in Erstaunen setzen, als das allmähliche Erscheinen des Bildes auf dem weißen Blatte«, schreibt Fox-Talbot 1841 und bringt die Aufbruchstimmung, die die Anfänge des neuen Mediums durchatmet, auf den Punkt. Reisefotografien von Francis Frith und Maxime du Camp sowie die Chronofotografie von Eadweard Muybridge nehmen einen prominenten Platz innerhalb der FOTOGRAFIS ein. Als die Fotografen um 1900 malerische Effekte in der Manier des Impressionismus einsetzen, findet eine Annäherung der beiden Medien statt: Julia Margaret Cameron, Edward Steichen und Heinrich Kühn repräsentieren den Piktorialismus innerhalb er Sammlung FOTOGRAFIS. Paul Strand und Edward Weston leiten in den 1920er Jahren unter dem Begriff »Straight Photography« ein neues Kapitel der Kunstfotografie ein, der Eigenwert der Fotografie steht nun im Mittelpunkt: Die präzise Aufnahme der Wirklichkeit im gestochen scharfen Hell-Dunkel. Zeitgleich erweitern die Avantgardekünstler, besonders die Dadaisten und Konstruktivisten, die Möglichkeiten der Fotografie radikal: Arbeiten von Man Ray, Alexander Rodtschenko, Raoul Hausmann und László Moholy-Nagy sind Glanzpunkte der Ausstellung. Reportage- und sozialdokumentarische Aufnahmen von Weegee bis Diane Arbus spielen eine eminente Rolle in der Fotogeschichte des 20. Jahrhunderts. Zeitgenössische österreichische Positionen, etwa von VALIE EXPORT und Arnulf Rainer, runden das Sammlungsprofil ab.
Wunsch und Anspruch der Ausstellung »FOTOGRAFIS collection reloaded« ist es, die Existenz und Struktur dieser hervorragenden Fotografie-Sammlung, die lange Zeit nur unter Experten ein Begriff war, wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Die Geschichte der Sammlung FOTOGRAFIS
»Streiter für die Photographie: Länderbank legt den Grundstein zur Sammlung Fotografis« kann man am 1. Juni 1976 in der Tageszeitung Die Presse lesen. Die Fotografie als Sammelobjekt genießt zu dieser Zeit in Österreich noch keinerlei Stellenwert.
Die Gründung der Sammlung FOTOGRAFIS 1976 ist untrennbar mit drei Namen verbunden: Anna Auer und Werner Mraz, die ab 1970 die Wiener Galerie »Die Brücke« – Europas erste Fotogalerie – führten, sowie Ivo Stanek, dem damaligen Leiter der Kunstsammlung der ehemaligen Österreichischen Länderbank (heute Bank Austria). Die Bank überlegt Mitte der 1970er Jahre neue Wege im Kultur-Sponsoring und sucht das Gespräch mit den beiden Foto-Experten: Zunächst ist nur ein auf Fotografie fokussiertes Ausstellungsprogramm, das durch Vortragsreihen über Fotografie ergänzt werden sollte, Thema. Das Konzept wird bald erweitert, die Übernahme von internationalen Ausstellungen, die Zusammenarbeit mit Lehrern, Schulen und Kunstpädagogen, regelmäßige Fotoworkshops, Seminare und Sonderprogramme, die Produktion von Katalogen und Kalendern sowie die Herausgabe einer Zeitschrift für Fotografie werden beschlossen. Auch die Gründung einer eigenen internationalen Fotografie-Sammlung wird in Erwägung gezogen. Im Mai 1975 argumentieren Auer und Mraz in einem Brief an Ivo Stanek: »Ein Grundstock guter Fotografie soll über die Beratung der Galerie angekauft werden. (...) Eine besondere Empfehlung wäre, eine Auswahl der Bilder von Henri Cartier-Bresson zu erwerben. Diese Kollektion sollte sukzessive durch Einbezug alter Meisterfotografen wie Alfred Stieglitz oder Julia Margaret Cameron ergänzt werden. Mit Hilfe dieses Grundstocks sollen in den Bankfilialen Wanderausstellungen stattfinden, um die Künstler/Fotografen in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.« Die inhaltliche Struktur der beschlossenen Foto-Sammlung orientiert sich wenig später an drei logischen Hauptsträngen: Der Frühen Fotografie, dem Piktorialismus und der Neuen Sachlichkeit. Parallel dazu sollen Einzelleistungen, vor allem aus der Dokumentations-, Reportage-, Sozial- und Porträtfotografie, integriert werden. Auch zeitgenössische österreichische Fotokunst soll Einlass in die Sammlung finden.
Anna Auer etabliert in den 1980er Jahren für die Sammlung auch ein ausgeklügeltes archivarisches Modell, das sich an der Sammlungsorganisation des Bildarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin, der Fotosammlung des Museums Folkwang in Essen und am Museum Ludwig in Köln orientiert. Fotografie als Kunst zu sammeln und zu dokumentieren bedeutet Mitte der 1970er Jahre in Österreich ein absolutes Novum.
Neben der umsichtigen Strukturierung und Archivierung der Sammlung initiiert die Sammlung FOTOGRAFIS auch den öffentlichen Diskurs über Fotografie. Zwischen Juni 1976 und Oktober 1981 werden sechs Symposien – die ersten ihrer Art im deutschsprachigen Raum überhaupt – organisiert. Die Symposien werden nur temporär veranstaltet und sollen als Informationsgrundlage und Diskussionsplattform jene Zeit, bis sich auch öffentliche Forschungseinrichtungen mit dem Medium und der Tatsache »Fotografie« beschäftigen würden, überbrücken. Aufgrund der guten Kontakte der Galerie »Die Brücke« zu Fotohistorikern und Kunstwissenschaftern können hochkarätige Referenten gewonnen werden: Helmut Gernsheim, Duane Michaels, Beaumont Newhall, Vilém Flusser, Bazon Brock, Klaus Honnef, Benjamin B. Buchloh, Rosalind E. Krauss und Victor Burgin nehmen an den Symposien und Podiumsdiskussionen teil.
Zwischen 1975 und 1986 organisiert die Sammlung FOTOGRAFIS rund 60 Ausstellungen. Zahlreiche Retrospektiven, etwa zu Eugène Atget, Fritz Henle, Paul Strand, Trude Fleischmann oder Man Ray in der Länderbank Wien und ihren diversen Filialen in ganz Österreich. Auch internationale Ausstellungsprojekte wie Alfred Stieglitz – The New Yorker Photo-Secession zu Gast in der Wiener Secession 1978 oder Austrian Photography Today 1982 im Austrian Cultural Institute in New York werden realisiert. Die Ausstellung Meisterwerke internationaler Fotografie – 10 Jahre Sammlung FOTOGRAFIS Länderbank 1986 im Festsaal der Länderbank Wien sollte die letzte große Schau werden. Als der Vertrag von Anna Auer 1987 nicht mehr verlängert wird, finden die vielfältigen Aktivitäten der Sammlung FOTOGRAFIS ein Ende, die Sammlung ruht, abgesehen von Leihgaben zu einzelnen nationalen Ausstellungen, seither im Depot.
Im Herbst 2008 hebt das Kunstforum nun diesen fotografischen Schatz und verbindet in FOTOGRAFIS collection reloaded eine Sammlungspräsentation mit 11 Arbeiten zeitgenössischer Foto-Künstler, die als Leihgaben nach Wien kommen. Die Ausstellung wird infolge auch in der Narodni Galerie Prag gezeigt werden.
Rückblick
Georges Braque
14/11/2008 - 01/03/2009
Rückblick